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Fundamentalkraft

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Autor: Max Kampenhuber

In diesem Blogbeitrag soll es darum gehen, wie ihr euer Körpergewicht kurzfristig so manipulieren könnt, damit ihr in eure Gewichtsklasse passt, solltet ihr eine Woche vorher zu schwer sein. Meine persönliche Meinung: geht es für euch nicht um eine Platzierung, würde ich einfach eine Gewichtsklasse höher starten. Sollte es aber darum gehen, oder ihr seid zu spät dran und könnt die Gewichtsklasse, in der ihr startet, nicht mehr ändern können, könnt ihr mit den nachfolgenden vorgestellten Methoden 3-4% Körpergewicht verlieren, ohne allzu große Einbußen auf eure Performance zu haben. Alles was über 3-4% hinausgeht, kann euch durchaus signifikant viele Kilo von eurem Total kosten und mit gesundheitlichen Risiken zusammenhängen, also seid bitte vorsichtig und plant dementsprechend vor.


Ein wichtiger Disclaimer: die Wissenschaft zu Water- und Gutcuts steckt noch in den Kinderschuhen und es kann zu großen individuellen Unterschieden kommen. Während eine Person dadurch vielleicht 5% Körpergewicht verliert und kaum einen Leistungsunterschied merkt, kann es vorkommen, dass eine andere die gezeigten Methoden überhaupt nicht funktionieren oder zu einem großen Leistungsverlust führen. Deshalb wäre hier mein Tipp: probiert die Methode(n) ein paar Wochen vor eurem Wettkampf einmal vor einem Training aus, um zu sehen, wie es euch dabei geht.

Grundsätzlich solltet ihr eure Erhaltungskalorien und eure durchschnittliche Makroverteilung so gut es geht wissen. Diese solltet ihr in den Tagen vor dem Wettkampf auch beibehalten. Es geht hier nur um eine kurzfristige Gewichtsreduktion, hier geht es nicht um längerfristiges Abnehmen! 

Nachfolgend werde ich die Strategien für kurzfristigen Gewichtsverlust kurz vor einem Wettkampf anführen. Die Reihung ist je nachdem, wie wahrscheinlich Performanceverlust für die meisten Menschen ist.


Längeres Fasten: geeignet für diejenigen, die nur ganz leicht über dem erlaubten Gewicht sind oder in Kombination mit anderen Methoden. Hierbei stoppt man einfach jegliche Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr am Abend vor dem Wettkampf.

Ausführung: 14-16h vor der Abwaage nichts mehr essen oder trinken.
Zu erwartender Gewichtsverlust: ungefähr 100-300g mehr, als ihr sowieso während dem Schlafen verlieren würdet.
Einfluss auf die Performance: insignifikant

Spucken: kann kurzfristig nochmal zu einem kleinen Verlust führen, wenn man um wenige 100g zu schwer ist ein paar Stunden vor der Waage am Wettkampftag.

Ausführung: auf harten/sauren Bonbons lutschen, dabei an leckeres Essen denken und in einen Behälter spucken.
Zu erwartender Gewichtsverlust: je nachdem wie lange man es machen kann, bis zu 300-400g
Einfluss auf die Performance: insignifikant

Gut Cut: hier versucht man, seinen Magen- und Darminhalt auf ein Minimum zu reduzieren. Das schafft man durch eine hohe Kaloriendichte und wenig Ballaststoffe in der Ernährung bei gleichbleibenden Gesamtkalorien und Makroverteilung. Oft sieht man hier, dass schwerere Athlet:innen tendenziell etwas mehr Körpergewicht verlieren, da diese meistens etwas mehr Nahrungsvolumen zu sich nehmen und dadurch auch mehr Darminhalt haben.

Ausführung: 3-4 Tage lang komplexe durch einfache Kohlenhydratquellen ersetzen, Gemüse und Obst weglassen und versuchen, Nahrungsvolumen auf ein Minimum zu reduzieren. Meine Favoriten sind hier Proteinshakes bzw. Proteinmilch, Süßigkeiten wie Gummibärchen, Kekse oder Eis und geröstete Mandeln. Aufpassen, dass ihr nicht zu wenig Salz esst, das sollte ungefähr gleichbleiben!

Zu erwartender Gewichtsverlust: 0,5-0,75%, abhängig von Startgewicht eventuell auch mehr

Einfluss auf die Performance: klein

Wasserladen & Wassercut: bei einem Wassercut steigert man zuerst seinen Wasserkonsum, bis man ihn kurz vor der Abwaage drastisch einschränkt. Noch gibt es sehr wenige Daten dazu und es scheiden sich die Geister, wieviel man wirklich beim Wasserladen zu sich nehmen muss und um wieviel man kurz vor der Abwaage reduzieren sollte. In einem Paper von Reale et al (2018) verlor die Gruppe, die einen Wassercut ausgeführt hatte, 3,2% (Wobei diese auch zusätzlich einen Gut Cut durchgeführt haben). Hier wurde auch kein Performance Verlust nach Rehydration festgestellt.

Ausführung: 4 Tage vorm Wettkampf starten, ca. 2,5x mehr Wasser als sonst oder 100ml/kg Körpergewicht pro Tag trinken (Wichtig hier ist, Proteinshakes o.Ä. mitzurechnen!). Das Ganze macht man 3 Tage lang. Am 4. Tag, also einen Tag vor der Abwaage, Wasserkonsum um ca. 80% reduzieren.

Zu erwartender Gewichtsverlust: 1,5-2,5% ohne andere Methoden zusätzlich

Einfluss auf die Performance: klein, solange Rehydration korrekt durchgeführt wird

Schwitzen: hier unterscheidet man zwischen aktivem und passivem Schwitzen. Da die meisten Powerlifter:innen nicht unbedingt eine hohe kardiovaskuläre Fitness vorweisen, würde ich hier aktives Schwitzen, wie zum Beispiel auf einem Ergometer o.Ä. nicht empfehlen, weil das sonst zu ermüdend wäre. Passives Schwitzen heißt man schwitzt, ohne sich zu bewegen, also in einer heißen Dusche, Badewanne, oder in der Sauna, je nachdem, was man zur Verfügung hat. Diese Methode ist definitiv die ermüdendste und sollte dadurch nur im Notfall in Erwägung gezogen werden.

Ausführung: bevorzugt am Vorabend oder sonst am Morgen der Abwaage abwechselnd 20 Minuten in heißer Badewanne/Dusche oder Sauna verbringen, kurz Pause machen und wiegen, bis man gewünschtes Gewicht erreicht

Zu erwartender Gewichtsverlust: abhängig von der verbrachten Zeit, alles über 1,5% gilt aber als gefährlich und wird die Performance am stärksten beeinflussen

Einfluss auf die Performance: höchstes Risiko

Natürlich kann man diese Methoden miteinander kombinieren, um einen höheren Verlust zu schaffen. Rechnet man alles zusammen, sollten also ungefähr 3-4% möglich sein durch Wasser- und Gut Cut und einem längeren Fasten am Abend vor der Abwaage. Sollte das nicht reichen, kann man auf Spucken oder Schwitzen (sollte der letzte Ausweg sein) zurückgreifen, um noch den letzten Rest zu verlieren. In der Regel verlieren die meisten Leute in der letzten Nacht vor der Waage nochmal das meiste Gewicht, also keine Panik, wenn man am Vortag noch ein paar hundert Gramm über dem Gewicht ist!


Rehydration

Der erste Tipp für eine reibungslose Rehydration ist zu versuchen, als erstes bei der Waage dranzukommen. Solltet ihr bei einem Wettkampf sein, bei dem die Abwaage nach Losnummern ist, geht das natürlich nicht und dann entscheidet das Glück.

Generell gilt: trinken ist immer wichtiger als Essen. Bevor man auf die Plattform geht, sollte man versuchen, sein verlorenes Gewicht wieder auszugleichen, also kommt es darauf an, wieviel man zu verlieren hatte. Wer nur etwas länger gefastet hat oder vielleicht 100-200g gespuckt, braucht sich hierbei nicht zu viel Sorgen zu machen. Sollte man aber auf einen Wassercut zurückgegriffen haben oder viel geschwitzt, gilt folgendes:

Gleich nach der Abwaage solltet ihr ca. 1-1,5 (je nach Körpergewicht) Liter Flüssigkeit zu euch nehmen. Recht viel mehr als 1,5L macht hier vermutlich wenig Sinn, weil der Körper auch mit einer Elektrolytmischung nicht viel mehr aufnehmen kann. In der Flüssigkeitsmischung sollten 3% Kohlenhydrate drin sein, im Idealfall reine Glukose. Zufälligerweise erhält man diese Mischung perfekt, wenn man Gatorade/Powerade mit Wasser im Verhältnis 50:50 mischt. Das resultiert in einer schnelleren Aufnahme der Flüssigkeit als durch reine Flüssigkeit ohne Glukose. Das Wasser sollte auch nicht zu kalt sein, lauwarm ist hier perfekt. Ich persönlich mische hier gerne noch 1-2 Päckchen einer Elektrolytmischung aus der Apotheke (Normhydral, Elotrans o.Ä.) dazu.

Nachdem man das so schnell wie persönlich möglich zu sich genommen hat, sollte man einmal ungefähr 20 Minuten warten. Wenn man zu bald zum Essen anfängt, braucht der Körper länger, um die wichtige Flüssigkeit aufzunehmen. Nach diesen 20 Minuten kann man anfangen zu essen. Hier sollte man vor allem Kohlenhydrate und gewohnte Lebensmittel bevorzugen. Es sollten nicht unnötig viele Ballaststoffe und auch nicht unnötig viele Kohlenhydrate sein. Der Körper kann im Idealfall ca. 60g/Stunde an Kohlenhydraten aufnehmen, ergo ergibt es hier keinen Sinn sich zu überfressen. Schon in der Flüssigkeitsmischung nach der Waage ist man bei 30-45g, also ist es nicht notwendig, hier übermäßig viel reinzuschaufeln, sondern einfach nach persönlichem Gefühl und Hunger. Reiswaffeln, Bananen, Reis, Reispudding, Gummibärchen, oder weißes Toastbrot sind hier gute Optionen.

Zu viel Fett in der Ernährung nach der Abwaage oder auch viel zu viel Salz kann einen negativen Einfluss auf die Performance haben und ist meist nicht notwendig!

In der verbleibenden Zeit bis zum Warmup und auch dann später im Wettkampf kann man je nach Durst- und Hungerlevel essen und trinken. Das ist sehr individuell, manche bevorzugen einen eher volleren Bauch, manche mögen das Völlegefühl nicht. Ein paar Gatorades/Powerades extra, sowie genügend schnelle Kohlenhydratquellen dabei haben, sind hier sehr wichtig.


Abschlussworte:

In meiner persönlichen Meinung ist für die meisten Powerlifter:innen keine kurzfristige Gewichtsmanipulation notwendig. Wenn man den Sport noch nicht allzu lange macht oder keine direkten Medaillenchancen bei einem nationalen oder internationalen Wettkampf in Aussicht sind, ergibt es in meinen Augen wenig Sinn, sich hier auf eine Gewichtsklasse festzufahren. Stattdessen sollte man langfristig versuchen, so viel Muskelmasse wie möglich aufzubauen und sich nicht zu sehr auf Gewichtsklassen zu beschränken und einfach in der starten, in der man gerade ist. Die meisten in diesem Sport durchlaufen in einer mehrjährigen Karriere auch mehrere Gewichtsklassen und zu häufige Cuts zwischendurch können die Leistung mittel- und langfristig stark negativ beeinflussen.

Wenn ihr euch nicht sicher seid, fragt jemanden mit fachlicher Ausbildung in Ernährungswissenschaften nach deren Hilfe oder versucht das Ganze weiter weg von einem Wettkampf.

An dieser Stelle auch nochmal einen großen Dank an Kedric Kwan von Reformance Training ( https://www.instagram.com/kedric.reformance/ ), der Spitzenarbeit leistet und die Wissenschaft im Bereich kurzfristige Gewichtsmanipulation vorantreibt. Wer hier genauere Strategien und Empfehlungen haben möchte, sollte sich unbedingt das SSPT Game Day Coaching Manual von Matt Gary zulegen ( https://www.supremesportspt.com/gameday-coaching-manual ), in dem Kedric ein Kapitel über RWL (rapid weight loss) geschrieben hat. Aus diesem wurde hier ein Großteil übernommen.


Literatur:

Reale R, Slater G, Cox GR, Dunican IC, Burke LM (2018). The Effect of Water Loading on Acute Weight

Loss Following Fluid Restriction in Combat Sports Athletes. PMID: 29182412.

Schoffstall JE, Branch JD, Leutholtz BC, Swain DE (2001). Effects of dehydration and rehydration on the one-repetition maximum bench press of weight-trained males. PMID: 11708691.

Kwan K, Helms E. (2022) Prevalence, Magnitude, and Methods of Weight Cutting Used by World Class Powerlifters. PMID:35319002.

Jeukendrup AE, Currell K, Clarke J, Cole J, Blannin AK (2009). Effect of beverage glucose and sodium contenton fluid delivery. PMID: 19232115.

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