Autor: Anna Hanus
In diesem Blockbeitrag geht es um das Thema Cueing im Powerlifting. Im Training und im Wettkampf ist die richtige Ausführung der Disziplinen entscheidend für Bewegungseffizienz und Verletzungsprävention. Cues, als prägnante Anweisung des Coaches, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Dieser Blockbeitrag beleuchtet Definitionen, Ziele und praxisnahe Anwendungsbeispiele, um eigene, effektive Cues zu entwickeln.
1. Definitionen und Ziele
Was ist Cueing?
Im Powerlifting bezieht sich „Cueing“ auf die verbalen oder physischen Anweisungen eines Coaches, die Athleten:innen helfen sollen, eine Übung technisch korrekt und effizient auszuführen. Ein Cue kann dabei ein bestimmtes Wort oder ein kurzer Satz sein, der auf die Einhaltung korrekter Körperpositionen, Bewegungsmuster und der gesamten Technik während des Lifts abzielt.
Warum ist Cueing wichtig?
Der Zweck von Cues ist vielschichtig. Sie können derLeistungsverbesserung, Verletzungsprophylaxe und Bewegungsoptimierung dienen.
Es ist unerheblich, wie das Wort oder der Satz formuliert ist. Vielmehr soll es den Sportler:innen in Momenten intensiver Belastung eine klare Richtlinie bieten und signalisieren: „Das ist der Schritt, den du jetzt unternehmen musst.“ Durch wiederholte Verwendung wird dieses Signal (Cue) schließlich zur Routine, und bewirkt instinktive Reaktionen und Integration in Bewegungsmuster. Cues können dabei für verschiedene Aspekte eines Lifts verwendet werden, z. B. für Körperposition, Gelenkausrichtung, Atmung, oder Timing.
Was ist bei Cues zu beachten?
Individualisierung
Um die Individualisierung, einen wichtigen Punkt des Cueings, zu erläutern, werde ich ein Beispiel heranziehen.
„Spannung“ ist ein weiterverbreiteter Cue im Powerlifting. Er kann viele Bedeutungen haben:
Spannung = Hantel beim Bankdrücken auseinander biegen, Atmung gegen den Gürtel beim Beugen, Latissimus Spannung beim Kreuzheben
Wie man feststellen kann, muss klar kommuniziert werden was der Cue für den spezifischen Fall der jeweiligen Person bedeutet – es ist also eine individuelle, wörtliche Abmachung zwischen Coach und Athlet:in und sollte auf die spezifischen Schwächen, verbesserungsbedürftige Bereiche und spezifische Situation zugeschnitten sein.
Schauen wir uns nun ein Beispiel für einen Cue für eine spezifische Schwäche an.
Wir haben eine Person die stark über den Vorderfuß beugt, ihr Torso kommt im Umkehrpunkt nach vorne und die Fersen heben ab. Sinnvolle Cues könnten sein:
„Ferse!“ : „ Bleib auf der Ferse!“ oder „Drück über die Ferse!“
Das Ziel des Cues ist es der Vorderfußbelastung entgegenzuwirken, ein besseres Rooting und Belastung auf dem Mittelfuß zu erreichen. Das Wort oder die Phrase hilft der Person mit ihrer spezifischen Schwäche zu verstehen, was sie tun soll. Der Cue „Ferse“ kann aber für die Allgemeinheit kontraproduktiv sein z.B. für einen Athleten, der eher über der Ferse beugt, da es seine Schwäche verstärken könnte.
Segmentierung
Ein weiterer wichtiger Punkt des Cueings ist die Unterteilung jeder Phase des Prozesses. Im Powerlifting haben wir für jede Disziplin unterschiedliche Phasen, die wir durchlaufen. Die Kniebeuge können wir zum Beispiel in folgende Phasen unterteilen:
Bsp: Kniebeuge
- Anfängliches Ausracken/Setup
- Walkout
- Atmung
- Einleitung der Abwärtsbewegung
- Umkehrpunkt
- Aufwärtsbewegung
Die Einteilung der Disziplin in Teilaspekte ermöglicht es, sich auf einen Aspekt pro Phase zu konzentrieren. Hierbei sollte die Auswahl des Aspektes darauf abzielen, den größten Effekt zu erzielen. Wurde ein Cue schließlich in das Bewegungsmuster integriert und die Athlet:in führt ihn instinktiv durch, ist es wichtig die nächste Schwachstelle für diesen oder einen anderen Teilaspekt zu suchen und zu fokussieren.
Fokussierung
Da Athlet:innen während intensiver Belastung nur ein begrenztes Maß an Konzentration zur Verfügung steht, sollten nur eine begrenzte Anzahl an Cues verwendet werden. Grundsätzlich gilt: bei unter 75% des 1 RMs sind 3 Cues per Disziplin realisierbar, hier könnte z. B. Setup, Atmung und Abwärtsbewegung gewählt werden. Bei 75-90% des 1RM sind es zwei Cues pro Disziplin und über 90% RM sollte nur ein Cue verwendet werden, um Überforderung zu vermeiden.
Im Wettkampf verwendet man meist keine spezifischen Cues, da in diesem Moment die Technik unbewusst und automatisiert abläuft. Es ist nicht der geeignete Zeitpunkt, um gezielt an der Technik zu arbeiten.
2. Wie findet man CUes?
Das Finden spezifischer Cues für jede Athlet:in, ob Anfänger oder Fortgeschrittener, erfordert eine Kombination aus Beobachtung, Kommunikation und einem guten Verständnis der Biomechanik, Stärken, Schwächen und des Hebestils des Einzelnen. Es ist sehr wichtig nicht nur Cues zu übernehmen die man aufgeschnappt hat, sondern genau darüber nachzudenken, ob es in der spezifischen Situation hilfreich oder gar kontraproduktiv für die Athlet:in ist. Deshalb ist es sehr wichtig die Schwächen der Person festzustellen, diese können technisch, muskulär oder mental sein. Nachdem die Schwächen identifiziert wurden, wird ein Plan ausgearbeitet, um diese zu verbessern. Verbale Cues können als Problemlösungstrategie im Plan integriert werden um die individuellen Schwächen und Probleme der Athlet:in zu lösen.
Im folgenden Abschnitt stelle ich den Ablauf des Findens von Cues dar.
1. Kommunikation
Eine offene und klare Kommunikation ist der erste Schritt, um hilfreiche Cues zu finden. Es sollten vorherige Erfahrungen, eventuelle Beschwerden oder Schmerzen während der Bewegungen geklärt werden. Auch das Verständnis über die Ziele, ob Kraft, Hypertrophie oder Wettkampfleistungen im Vordergrund stehen, kann zu besseren Cues führen. Zum Beispiel kann in einer Hypertrophie Phase der Fokus auf Cues liegen die, die Mind Muscle Connection fördern („Lats“) oder auf hohe Anstrengung abzielen („Come on“).
2. Assessment
Nachdem die Zielsetzung geklärt wurde, kann mit der gründlichen Bewertung der aktuellen Fähigkeiten des Athleten, seiner Mobilität und eventueller Einschränkungen begonnen werden. Dies kann das Beobachten von Bewegungsmuster während Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben, aber auch anderen Übungen inkludieren.
3. Schwächen festellen
Aus dem Assessment resultierend werden die Schwächen der Athlet:in abgeleitet. Analysen von Wettkampfvideos und das Überprüfen früherer Leistungen können zusätzlich herangezogen werden um eventuelle konsistente technische Probleme oder Bereiche, die verbessert werden müssen, zu identifizieren. Auch biomechanische Assessments, z.B. durch Videoanalysen, um individuelle biomechanische Stärken und Einschränkungen zu identifizieren, können hilfreich sein.
4. Cues ausarbeiten
Ein Cue ist eine Abmachung zwischen Athlet:in und Coach. Es muss deutlich kommuniziert werden, was der Cue in dieser spezifischen Situation bedeutet.
Bei Athlet:innen mit wenig Erfahrung im Powerlifting beginnt man mit einfachen und globalen Cues, die breite Aspekte der Übung ansprechen, wie das Anspannen des Rumpfes, das Halten einer neutralen Wirbelsäule und das volle Bewegungsausmaß. Bei fortgeschritteneren Athlet:innen werden die Cues persönlicher, basierend auf den individuellen Stärken, Schwächen und dem Hebestil..
Damit Cues funktionieren muss die Person verstanden haben was der Cue bewirken soll und wie sich die richtige Technik anfühlt. Hier können auch spezifische Übungen zur Unterstützung herangezogen werden, um den Cue zu verdeutlichen. Zum Beispiel kann ein Deadbug, eine Übung bei der der Rumpf angespannt wird, vor der Kniebeuge dabei helfen, die Atmung beim Beugen zu verbessern.
5. Feedback
Die Bereitstellung von zügigem und wiederholtem Feedback ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Cueings. Dies ermöglicht einerseits positive Verstärkung für korrekte Bewegungen und umgesetzte Cues und andererseits konstruktives Feedback für Bereiche, die Verbesserung benötigen. Es ist ratsam, Athlet:innen nach erfolgreicher Umsetzung der Übung zu fragen, wie sie den Cue selbst benennen würden, um sicherzustellen, dass das Verständnis für die Anweisungen besteht. Nachdem Cues erfolgreich ins Bewegungsmuster integriert wurden, sind Anpassungen nötig. Die fortlaufende Suche nach der nächsten Schwachstelle trägt dazu bei, dass der Trainingsprozess dynamisch bleibt und eine kontinuierliche Verbesserung ermöglicht wird.
Abschlussworte
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Cueing eine sinnvolle Methode ist, um Athlet:innen bei der korrekten und effizienten Ausführung von Disziplinen zu unterstützen. Diese verbalen Anweisungen dienen nicht nur der Leistungsverbesserung, sondern auch der Verletzungsprävention und der Optimierung der Bewegungsabläufe.
Um effektive Cues zu finden wird eine gründliche Kommunikation zwischen Athlet:in und Coach, eine umfassende Bewertung der Fähigkeiten und Schwächen und konstantes Feedback benötigt. Die fortlaufende Verbesserung und Anpassung der Cues trägt dazu bei, dass Technik kontinuierlich verfeinert und optimiert wird.