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Fundamentalkraft

Fundamentalkraft

Autor: Paul Schlütter

Dieser Artikel soll euch ein wenig Einblick in meine Erkenntnisse in die Bewertung von Lifts auf der Plattform aus Sicht eines Kampfrichters geben. Dazu sei gesagt: selbstverständlich sind alle Kampfrichter:innen dazu angehalten, Objektivität und Neutralität in ihren Entscheidungen zu wahren, ABER: nicht zuletzt als Psychologe weiß ich, dass die vollständige Einhaltung dieser Faktoren im Kontext des menschlichen Wesens schlichtweg unmöglich ist. Das heißt nicht, dass es hier darum gehen soll, Kampfrichter:innen „auszutricksen“, sondern viel mehr um Dinge, die ihr tun könnt, um uns die Bewertung eurer Lifts zu vereinfachen.


1: Erleichtert mir die Bewertung eures Lifts

Grundsätzlich wissen in der Regel alle Startenden, welche Standards laut Regelwerk für einen gültigen Versuch eingehalten werden müssen. Sorgt dafür, dass wir das auch sehen, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es weiße Lichter regnet. Abgesehen von groben Verstößen (z.B. Beugetiefe oder Arsch oben bei der Bank) fallen mir hier vor allem immer wieder dieselben Flüchtigkeitsfehler auf: weiche Gelenke in Start- oder Endpositionen, Kommandos, die missachtet werden, oder zu hoch gewickelte Handgelenksbandagen (sofern von TC nicht entdeckt) sind enorm ärgerliche Gründe für rote Lichter – auch für mich als Kampfrichter.

Besonders die technischen Fehler sind unglaublich leicht vorzubeugen. Achtet im Training darauf, dass ihr beim Beugen auch vor der Einleitung die Knie sichtbar streckt, sowie beim Bankdrücken die Ellenbogen gänzlich durchgedrückt habt. Solche Kleinigkeiten sind ein Aushängeschild für die Qualität eurer wettkampfspezifischen Wiederholungen im Training – wer’s nicht trainiert, der wird’s nicht abliefern können (ganz liebe Grüße an Robert Röder, auf dass ich dir bei der Bank irgendwann mal ein weißes Licht geben kann).


2: Seid auf der Plattform beständig und anpassungsfähig

Wenn Punkt 1 abgehakt ist, dann sorgt darauf aufbauend für Regelmäßigkeit in euren Bewegungsabläufen bei allen drei Versuchen. Auch wenn es als Kampfrichter:in manchmal schwierig ist, sich einzelne Personen zu merken, so kann ich mir Bewegungen umso besser merken. Wenn ich nach der ersten Beuge zu dir komme und sage, dass die Kniestreckung knapp war (was ich nicht muss, aber aus gutem Willen heraus durchaus gern mache) und dann sehe, dass es beim zweiten Versuch besser ist, dann ist das ein massiver Pluspunkt. Aber du kannst eben darauf wetten, dass Dinge, die mir bei vergangenen Versuchen aufgefallen sind, dann eben auch die Dinge sind, auf die ich bei weiteren Versuchen besonders achte.

Wenn ich bemerke, dass die Person auf der Plattform mit Selbstbewusstsein an die Hantel geht und die Abläufe eine deutliche Routine haben, dann erleichtert es mir das als Hauptkampfrichter:in auch das Geben des Startsignals – v.a. Richtung Drittversuch, wenn die Abläufe bei den ersten beiden schon gut gepasst haben. Selbiges gilt für mich als Seitenkampfrichter:in, da ich dann schneller meine Hand senken kann.


3: Freundlichkeit macht’s einfacher, auch nach ungültigen Lifts

Hier kann ich mich wirklich sehr kurz halten: seid nett zu den Kampfrichter:innen. Unzufrieden mit einer Entscheidung zu sein ist vollkommen nachvollziehbar (dazu später mehr) und verständlich. Seid euch aber bewusst, dass Beleidigungen, oder gar Bedrohungen des Kampfgerichts zu einer Disqualifizierung führen können.

Notiz am Rande: ich persönlich kenne keine Kampfrichter:innen, denen ich persönliche Fehden gegen bestimmte Sportler:innen vorwerfen würde, aber als Psychologe weiß ich: wenn ein:e Athlet:in grantig zu mir war, weil ich Rot gegeben habe, dann achte ich auf diesen technischen Teil des Lifts nochmal mehr beim nächsten Durchgang – vor allem, um mich selbst in meiner Entscheidung abzusichern.


4: Freut euch über Lifts, auch wenn ihr euch unsicher seid

Nach jedem Lift gibt es für uns Kampfrichter:innen ein kurzes Zeitfenster, bevor wir unsere Entscheidung mit einem Knopfdruck, einer Karte oder einer Flagge verewigen. Auch wenn es dazu noch keine Studien im KDK gibt, gibt es durchaus Evidenz, die zeigt, dass Bewertungen von Leistung in verschiedenen Sportarten durch positive Körpersprache im Anschluss positiv beeinflusst werden (s. z.B. diese Studie einer Kommilitonin von mir übers Surfen: https://doi.org/10.1123/jsep.2019-0122).

Sprich: weniger Kopfschütteln nach einem wackeligen Versuch, mehr Selbstsicherheit und Freude. Da sei aber gesagt: eine betreuende Person, die bei einem deutlich ungültigen Versuch wissentlich „GÜLTIG“ in den Raum schreit, wird meine Entscheidung, wenn überhaupt, negativ beeinflussen (liebe Grüße an Mike).


5: Auch Kampfrichter:innen sind Menschen

Fehler passieren und das ist normal. Vor allem wenn man als Kampfrichter:in stundenlang, mit nur kurzen Pinkelpausen eine niemals enden wollende Reihe an Lifts bewertet, kommt es durchaus mal vor, dass man sich in seinen Entscheidungen unsicher ist, mal kurz nicht aufpasst oder Fehler macht. Ich kann jede:r Athlet:in nur raten auch selbst mal als Kampfrichter einen Stuhl aufzusuchen und (mit entsprechender Lizenz) vier Stunden am Stück auf Knöpfe zu drücken.

Durch so beständige kognitive Belastung kann es schlichtweg zu Ungenauigkeiten kommen, seid da als Athlet:innen bitte nachsichtig. Wenn ich mir einer Fehlentscheidung bewusst bin, so würde ich mich stets dafür im Nachhinein entschuldigen.

Hinzu kommt, dass der Ermessensspielraum in der Bewertung von Gültigkeit eines Versuchs viel größer ist, als ich es aus meiner Erfahrung als Trainer oder Athlet wahrgenommen hatte. Dinge wie Beugetiefe, Unterschieben der Oberschenkel oder eine gültige Schulterposition in der Endposition vom Kreuzheben erlauben hier mehr Spielraum als man denken mag. Meine persönliche Meinung dazu: als Kampfrichter:in die Kirche im Dorf lassen und sich an den Bewertungen bei internationalen Wettkämpfen orientieren.


6: Genaue Kenntnis über das Regelwerk ist enorm hilfreich

Dies gilt sowohl für Kampfrichter:innen, als auch für Athlet:innen und Betreuende. Häufig kommt es vor, dass auch Kampfrichter:innen sich unsicher über bestimmte Regeln sind: so war es z.B. bei meinem letzten Einsatz so, dass jemand eine gute Beuge abgeliefert hatte und nach dem Signal zum Ablegen die Balance nach hinten verloren hat. Ich habe diesen Versuch gültig gegeben, meine beiden Kolleg:innen nicht – das sind in meiner Wahrnehmung sogar noch die „gröberen“ Feinheiten, die man in dieser Position kennen muss, aber auch ich habe mich im Nachhinein bei der Jury rückversichert, dass das weiße Licht richtig war. Auch als Kampfrichter:in muss man hier Mut haben die Entscheidung zu treffen, die man für richtig hält und die Angst vor möglichen Fehlern aushalten.

Aus Sicht einer Athlet:in oder einer Betreuer:in ist es in solchen Fällen eben umso besser, wenn man detaillierte Kenntnis über das Regelwerk hat, um etwaige Einwände bei der Jury geltend machen zu können.

Aber der aus meinen Augen wohl wichtigste Punkt: wenn ich weiß, wofür die Lichter beim roten Licht stehen (rot/gelb/blau), dann weiß ich als Athlet:in oder Betreuer:in mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort, woran et jelegen hat. Und falls nicht: nett nachfragen ist in der Regel vollkommen in Ordnung.


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