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Fundamentalkraft

Fundamentalkraft

Autor: Paul Schlütter

Die Tatsache, dass submaximales Training für Kraftsporttreibende sinnvoll ist, sollte mittlerweile niemanden mehr schockieren. Ob „low intraset fatigue“, „load drops“, oder „Sheiko #37“: seit wahnsinnig langer Zeit etablieren sich diese Herangehensweisen als sinnvolle Strategien für jene, die ihre Maximalkraft steigern wollen.

In diesem Beitrag möchte ich kurz erklären, warum das sinnvoll ist und mir dann vor allem Zeit nehmen mal all diejenigen Methoden darzustellen, die man dafür im Training nutzen kann. Denn: zu wissen, dass submaximales Training sinnvoll ist und in der Lage zu sein, dies vernünftig zu planen, sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.


Submaximales Training? Das ist doch nur was für Weicheier!11elf! – irgendein Mentzer-Jünger

Die zentrale Frage bei der Wahl von Intensitäten im Training ist: wie viel Arbeit kann ich leisten von der ich mich dann auch noch erholen kann? Die Antwort darauf macht schnell deutlich, warum hohe relative Intensitäten (v.a. bei Grundübungen) zwar punktuell sinnvoll sein können, langfristig aber meist die regenerativen Kapazitäten von Athlet:innen überschreiten. Dann kommt hinzu, dass hohe relative Intensitäten meist wenig Raum für Volumen im Training bieten – wenn ich einen Topsatz in der Beuge oder im Heben @RPE9-10 mache, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die daraus entstehende Ermüdung innerhalb der Einheit dafür sorgt, dass ich meine Sätze danach reduzieren muss und entsprechend weniger Reize setzen kann. Das bedeutet auf keinen Fall, dass man gar keine Sätze bei hohen relativen Intensitäten macht (RPE8-10), sondern nur dass man mit diesen eher sparsam umgeht – individuelle Hebelverhältnisse und regenerative Kapazitäten moderieren den Umfang entsprechend.

Ausführlicher beschrieben ist die grundlegende Herangehensweise an submaximales Training in einem Blogbeitrag von Brian Minor (Link: https://myojournal.com/rethinking-proximity-to-failure-for-strength-gains/). Am Ende kann man die Empfehlungen für die Praxis wie folgt runterbrechen:

Bei einem klassischen 5er @RPE8-9 nimmt mit jeder Wiederholung die daraus resultierende Kraftanpassung ab, während die daraus resultierende Ermüdung steigt. Ergo lässt man die am meisten ermüdenden Wiederholungen weg, setzt damit einen ähnlichen Reiz für Kraftanpassungen, aber hat übrige Ressourcen für mehr Sätze (sprich statt einem 3×5 könnte ich z.B. ein 5×3 mit derselben Last machen.) Zwar kann hyperspezifisches Training (nur schwere Singles) auch durchaus zu großen Zuwächsen in Maximalkraft führen, jedoch stellt sich hier immer die Frage der Nachhaltigkeit: für wie lang glaubst du, dass du jede Woche in deiner Beugeeinheit 5-10 Singles nah am Versagen bewegen könntest?

Um von der Theorie wegzukommen, folgen nun einige Planungsbeispiele dafür, wie man submaximales Training integrieren kann. Dazu sei gesagt: individuelle Charakteristika wie Trainingsalter, Kraftniveau und sonstige Umstände beeinflussen die Auswahl solcher Planungstools massiv, solche Entscheidungen sollten immer auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden.


Der Methodenkoffer für submaximales Training

1: Die stumpfen Prozente

Sheiko hat es beliebt gemacht und es wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Hier geht man her, nimmt ein 1RM von einer Person (oder die häufig empfohlenen 90% vom Wettkampf-1RM) und nutzt dies, um Intensitäten und Volumen im Training zu planen. Vorteil: die Lasten sind idR so leicht, dass man sich wenig Gedanken um tagesformabhängige Schwankungen machen braucht. Nachteil: das Training erfordert einen massiven Belohnungsaufschub und kann schlichtweg öde erscheinen. Ungefähr so könnte das dann aussehen:

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2: Die stumpfen RPEs

Auch mit autoreguliertem Training kann man submaximale Lasten planen. Vorteil: dieser Ansatz erlaubt sehr viel Anpassung an die tagesaktuelle Leistungsfähigkeit, v.a. dort, wo diese stark schwankt. Nachteil: relative Intensitäten unterhalb einer RPE6 einzuschätzen fällt den meisten Menschen wahnsinnig schwer und ist entsprechend schwierig in der Praxis. Außerdem werden den schwereren Sätzen hier häufig die größte Bedeutung beigemessen, was zu Schwierigkeiten mit Leistungserwartungen führen kann. Das könnte so aussehen:

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3: Klassische Topsätze mit Backoffs

Hier haben wir einen „schweren“ Topsatz mit Backoffsätzen, die ein wenig leichter sind. Vorteil: auch hier kann an Schwankungen in der Leistungsfähigkeit angepasst werden, zusätzlich erlaubt es den Athlet:innen einen etwas intensiveren Satz zu absolvieren, der in seiner Ermüdung überschaubar ist und die nachfolgenden Sätze nur gering einschränkt. Nachteil: diese Herangehensweise verleitet dazu, dem Topsatz mehr Bedeutung als den Backoffs zu geben – manche Leute neigen leider dazu sich im Topsatz zu verheizen und die Backoffs mit weniger Qualität zu absolvieren. Geplant könnte das ungefähr so aussehen:

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4: Low intraset fatigue, oder auch “modernes Sheiko”

Nun fangen die verschiedenen Ansätze an sich ein wenig zu überlagern – viele Wege nach Rom und so. Diese Herangehensweise wurde unter dem Namen low intraset fatigue von Data Driven Strength vorgestellt, hier gibt es unterschiedliche Arten der Trainingsplanung in einer Wettkampfvorbereitung und in einer Trainingsphase mit Fokus auf Hypertrophie. Vorteil: der prozentbasierte Ansatz wird hier mit Autoregulation gepaart, d.h. es kann besser auf Leistungsschwankungen eingegangen werden. Zudem bietet diese Herangehensweise das Potenzial, anders als bei bisherigen Herangehensweisen autoregulativ das Satzvolumen zu steuern. Nachteil: mit diesem Tool ist, ähnlich wie bei Punkt 3, die Bedeutung des schweren Satzes sehr hoch, da dieser die Intensitäten und Volumina der weiteren Sätze bestimmt – das kann für manche Druck ausüben und Leistung verletzlicher machen.

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In einer Phase mit viel Volumen könnte das so aussehen. Dabei ist das Ziel, dass in dem „Topsatz“ zwischen 4 und 8 Wiederholungen erreicht werden (entsprechend kann man die Prozente anpassen), danach wird üblicherweise die Last gleich gelassen, aber die Wiederholungen halbieren sich. Bei ungeraden Zahlen empfehle ich hier nach Gefühl zu entscheiden, ob man auf- oder abrundet.

Für eine Wettkampfvorbereitung kann das dann wie folgt aussehen, dabei ist zu beachten, dass man ebenso mit RPE caps/limits arbeiten kann – dazu später mehr.

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5: Wiederholungsreduktion oder “rep drops”

Hier geht es weiter mit den Überschneidungen – bei dieser Herangehensweise gibt es einen Topsatz (in einer Vorbereitung nach einem Single/Double), von dem ausgehend wir bloß die Anzahl der Wiederholungen reduzieren. Vorteil: sehr wenig Umbau im Training notwendig, da die Last nach dem Topsatz identisch bleibt und (rein anekdotisch) bessere Auswertung von Einheiten, da man die Leistung über mehrere Sätze recht gut vergleichen kann. Außerdem kann man dieses Tool v.a. dann nutzen, wenn man die relativen Intensitäten im Training höher halten möchte als bei anderen. Nachteil: auch hier liegt viel Bedeutung auf dem Topsatz, zusätzlich kann es durch recht viel Ermüdung durch die hohen Intensitäten und Menge an Volumen kommen. Tipp: ich fahre hier auf individueller Basis ganz gut damit, wenn ich vereinzelt einen zusätzlichen load drop einfüge (dazu später mehr). Auch kann es hilfreich sein, wenn man mehrere Wiederholungen abzieht, z.B. 5er zu 3er zu 2er zu 1er. So kann das aussehen:

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6: RPE caps/limits

Eine RPE cap bedeutet, dass ich in der Planung die Anzahl der Sätze offen lasse und die Vorgabe ist einfach weiter Sätze zu machen, bis ein Satz eine gewählte RPE erreicht. Häufig wird hier mit einem load drop oder rep drop gearbeitet, damit die Backoffs leichter sind als der Topsatz. Vorteil: dieser Stil erlaubt es mir als Coach zu sehen, wie viel Ermüdung zwischen Sätzen aufgebaut wird und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel produktive Arbeit die Person in einer Einheit leisten kann. Es zwingt Athlet:innen auch gewissermaßen a) ihre Satzpausen gleich lang zu halten, damit die Vergleichbarkeit erhalten bleibt und b) sich bei jedem Satz maximal anzustrengen, um womöglich weitere Sätze machen zu „dürfen“. Die Nachteile hierbei sind, dass es eine gewisse Zeit braucht, um den Ansatz individuell zu kalibrieren – so ist es mir schon passiert, dass eine Athletin bei der Bank 11 Sätze machen musste, bis sie die RPE erreicht hat, da die Lastenreduktion etwas zu hoch war.

Hier ein Beispiel mit einer Reduktion der Wiederholungen und eins mit load drop:

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7: Load drops/Lastenreduktion

Mit diesem Tool plant man eine Reduktion in der Last von einem Topsatz ausgehend, wodurch submaximales Training geleistet werden kann. Vorteil: ähnlich wie bei den anderen autoregulativen Ansätzen wird hier auf die Tagesform reagiert, zusätzlich sind load drops etwas stumpfer als manch andere Herangehensweisen und machen es Athlet:innen etwas einfacher in der Lastenwahl. Nachteil: auch hier wird dem Topsatz eine große Bedeutung für die Einheit gegeben. In der Praxis kann man hier auch mit Banden für den load drop arbeiten (also z.B. 8-12% statt feste 10%), damit Athlet:innen ein Stück Autonomie über die Wahl der Lasten im Training behalten.


So könnte das aussehen:

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Das war ein kleiner Überblick über ein paar der Möglichkeiten, die wir in der Trainingsplanung haben, um submaximales Training in der Praxis anzuwenden. In meiner Erfahrung ist eine Art nicht zwingend besser als die andere, aber es gibt durchaus individuelle Präferenzen und Trends – je nach psychologischer Herangehensweise ans Training entscheide ich mich bewusst für unterschiedliche dieser Planungsmodalitäten.

Wenn dir der Beitrag gefallen hat: teile ihn gern, das würde mich echt freuen. Möchtest du im Rahmen einer professionellen Betreuung herausfinden welche dieser Herangehensweisen für dich am ehesten funktioniert? Dann schreibe uns gern eine Nachricht!

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